Lesen kann Türen öffnen, doch für manche Kinder bleibt die erste Tür lange verschlossen.
Im Lerntherapeuten-Netzwerk erleben wir tagtäglich, wie wichtig es ist, dass ein frühzeitiges Erkennen von Lernschwierigkeiten und eine individuelle Förderung Hand in Hand gehen. Nicht nur die Vermittlung von Lesekompetenzen, sondern auch die Stärkung des Selbstwertgefühls und ein Blick auf die Einzigartigkeit jedes Kindes stehen bei uns im Mittelpunkt.
Mit „Luis kann (noch) nicht lesen“ von Heike Becker ist ein Buch entstanden, das genau diese Botschaften vereint. Es erzählt nicht nur von Schwierigkeiten, sondern vor allem von Hoffnung, Gemeinschaft und Mut.

Mehr als ein gewöhnliches Kinderbuch, ein Mutmacher
Verschiedene Lerntherapeuten aus unserem Lerntherapeuten-Netzwerk haben das Buch gelesen und ihre persönlichen Eindrücke geteilt. Ihre Gedanken und ihr Feedback haben wir zu den verschiedenen Themen Handlung, Lesbarkeit, Zielgruppe und Anregungen zusammengetragen. So entsteht ein vielfältiger Einblick in das Buch und zeigt auf, warum „Luis kann (noch) nicht lesen“ mehr ist als ein gewöhnliches Kinderbuch.
Handlung: Identifikation, Herausforderungen und Mut
Schön ist, dass Luis ein überwiegend besorgtes und verständnisvolles Umfeld hat. Seine Eltern kommen zwar an die Grenzen, werden aber konstruktiv aktiv, statt sich Verzweiflung und Ohnmacht hinzugeben. Die Lehrerin handelt zwar anscheinend etwas spät, dafür dann aber umso engagierter und Freunde sowie einige Mitschüler machen Luis Mut und unterstützen ihn gegen gemeine Mobber, die es leider wie überall, auch hier gibt. Kirsten Lang-Feist
Mich hat das Buch sofort berührt. Es beschreibt so ehrlich, wie sich Kinder fühlen, die mit dem Lesen kämpfen – wie verzweifelt sie manchmal sind, wenn sie denken, sie sind allein mit ihrem Problem. Wie viel Angst, Scham und auch Wut da sein kann. Und wie sehr es helfen kann, wenn ein einziger Satz Hoffnung macht: Du kannst das schaffen. Sabine Walker
Mit „Luis kann (noch) nicht lesen“ hat Heike Becker ein wirklich Mut machendes Buch geschrieben. Besonders gut hat mir der Titel gefallen, das kleine Wörtchen noch drückt so viel aus, nimmt dem ganzen die Schwere und gibt Hoffnung. Das Buch eignet sich sowohl zum selber lesen als auch zum Vorlesen. Ich persönlich würde es als Gesprächsanreiz nutzen, um über die eigenen Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen zu sprechen. Nicole Gerbatsch
Ich liebe den so passenden Titel des Buches. Luis ist ein fleißiger und intelligenter Junge und trotzdem stellt das Lesen und Schreiben ihn vor große Herausforderungen. Er bekommt schlechte Noten, entwickelt Selbstzweifel und eine Schulangst und wird geärgert. Seine Klassenlehrerin zeigt dann mit dem sympathischen und beliebten Sportlehrer Herrn Klein, dass man auch mit LRS beruflich erfolgreich und im Leben glücklich sein kann. Tanja Schikofsky
Das Buch transportiert die emotionale Problematik von Luis sehr realistisch. Seine Eltern unterstützen ihn liebevoll, aber man merkt ihnen ihre Unsicherheit und Hilflosigkeit deutlich an. Von der Lehrerin hätte ich mir ein weinig mehr Infos für die Eltern gewünscht. Nicole Gerbatsch
Dass sich am Ende der Sportlehrer mit seiner eigenen schwierigen LRS-Geschichte outet, kann Mut machen. Hier hat es eine Person mit Vorbildfunktion, die die Schüler nur als stark, selbstbewusst und auch ein bisschen cool kennen, trotz schwieriger Startbedingungen und anfänglicher Mutlosigkeit geschafft, genau das aus ihrem Leben zu machen, was sie immer wollte. Das und dass er so offen darüber spricht, ist stark. Als Sportlehrer kann er seinen Stärken entsprechend unterrichten, ohne dass die LRS besonders ins Gewicht fällt. Das zeigt, dass es trotzdem tolle Perspektiven geben kann, wenn man eine Idee für sein Leben hat und sich auf seine Stärken besinnt, statt sich von seinen vermeintlichen Schwächen niederschlagen zu lassen. Kirsten Lang-Feist
Mit erstaunlich wenigen Worten gelingt es dem Buch, einen komplexen emotionalen und pädagogischen Themenbereich zu beleuchten. Es spricht die Kinder direkt in ihrer Lebenswirklichkeit an, ohne zu beschönigen oder zu überfordern. Gerade durch die Kürze und Prägnanz entfaltet es seine besondere Wirkung. Kinder, die selbst betroffen sind, können sich wiederfinden – in den Gedanken, den Ängsten, der Scham. Und genau hier entsteht der Raum für Gespräche: über Erfahrungen, Gefühle, Hoffnungen. Sabine Walker

Lesen lernen leicht gemacht: Konzept, Layout, Kinderbilder
Den Textsatz, bei dem eng beieinander steht, was zusammengehört und Wortteile durch besondere Abstände kenntlich gemacht werden, empfinde ich als lesefreundlich. Die Illustrationen mit Kinderbildern empfinde ich als sehr stimmig und die Kinderunterschriften ganz am Anfang des Buches verleihen der Geschichte zusätzlich Gewicht und den Kindern eine Stimme. Kirsten Lang-Feist
Die Bilder im Buch sind alle von Kindern selber gemalt und das macht es sehr authentisch. Am Ende des Buches wird das Basiskonzept Lesen- phonix kurz und gut verständlich vorgestellt. Ich persönlich finde es sehr wichtig zu betonen, wie sinnvoll es ist die Buchstabennamen zu vermeiden. Tanja Schikofsky
Sehr gut haben mir die von Kindern gestalteten Bilder gefallen, diese unterstützen die Geschichte noch zusätzlich. Besonders überzeugt dieses kleine Buch aber mit seiner „Basiskonzept-Lesen-Schrift“ und der farblichen Gliederung. Diese erleichtern das Lesen und Verstehen sehr. Nicole Gerbatsch
Nicht nur der Inhalt überzeugt, auch die Gestaltung ist sehr ansprechend: Die verschiedenen Farben helfen sofort, zu erkennen, wer gerade spricht und was die Charaktere denken. Auch ungeübte Leser finden so leicht in die Geschichte rein, zumal der Text sehr gut lesbar ist (aufgebaut nach dem Basiskonzept). Susanne Seyfried
Und die Kinder, mit denen ich dieses Buch lesen möchte, können hier schon Erfolge erleben: – eine ganze Seite in einem Buch lesen zu können, sogar ein ganzes Buch lesen zu können. Weil es kurz, knapp, prägnant gehalten ist. Toll. Sabine Walker

Zielgruppe und Einsatzmöglichkeiten
Das Buch ist ein tolles Stark-Mach-Buch für Grundschulkinder. Tanja Schikofsky
Insgesamt finde ich das Buch einfach toll und freue mich, dass es damit nun ein Buch gibt, das die betroffenen Kinder selbst gut lesen können, das in Bild und Text ihre Sprache spricht und in dem sich wohl viele Kinder wiedererkennen können. Gleichzeitig spricht es indirekt auch die Eltern an, indem es die elterliche neben die noch viel größere kindliche Hilflosigkeit stellt und den Fokus auf das innere Erleben des Schülers richtet. Kirsten Lang-Feist
Ich empfehle das Buch allen Grundschulkindern und ihren Familien. Im Unterricht bietet das Buch eine ideale Grundlage, um gemeinsam über LRS zu sprechen, Unterschiede anzuerkennen und Vorurteile abzubauen. Fragen wie „Was macht dich stark?“ oder „Wie fühlst du dich, wenn du etwas nicht kannst?“ regen Kinder zum Nachdenken an und stärken das Miteinander in der Klasse. So werden Empathie und gegenseitiger Respekt gefördert. Susanne Seyfried
Gedanken und Anregungen
Was mir an dem Buch nicht so gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass das positive Beispiel Herr Klein nun gerade Lehrer ist. Auch wenn es immer Ausnahmen gibt, finde ich es nicht einfach, wenn ein Lehrer eine LRS hat. Spontanes Feedback bzw. spontane Korrekturen von Schülertexten erfordern eine hohe Sicherheit in der Rechtschreibung, die auf nicht auf so hohem Niveau oft nicht vorhanden ist. Daher finde ich das Beispiel mit dem Lehrer nicht so glücklich. Tanja Schikofsky
Nach meinem Empfinden endet die Geschichte einen Moment zu früh. Noch ist Luis in einer eher passiven Rolle und hat gerade erst einen Mut-Impuls bekommen, der ihn aus seiner Hilfslosigkeit bringen kann. Hier wäre es evtl. schön gewesen, noch kurz zu erzählen, wie er beginnt, sich aktiv seinen Schwierigkeiten zu stellen. Kirsten Lang-Feist
Anregungen für noch mehr Lesefreude: Hilfreich fände ich Zwischenüberschriften, besonders wenn das Buch im Unterricht gelesen wird. Nicole Gerbatsch ergänzt: „Hier hätte ich mir Zwischenüberschriften gewünscht, die die einzelnen Kapitel inhaltlich noch besser abgrenzen.“ So wüsste man immer, wann eine Pause passt oder wann man zum Nachdenken innehält: Wie geht es Luis jetzt? Was würde ich mir an seiner Stelle wünschen?
Solche Reflexionsphasen wären auch hilfreich, um mit der ganzen Klasse, aber auch in der Lerntherapie mit dem Schüler zu sprechen, wie sich Kinder mit Leseschwierigkeiten wirklich fühlen. Susanne Seyfried
Noch ein kleiner kleiner Wunsch: Das Ende kam mir ein bisschen abrupt. Luis ist zwar mutig, aber wie genau bekommt er jetzt Hilfe? Und wo können Eltern Unterstützung finden? Aber vielleicht ist ja sogar eine Fortsetzung von Luis geplant:-) Ich fände es außerdem sehr hilfreich, wenn im Download-Bereich des isb-Oldenburg Verlages weiterführende Infos zur Verfügung gestellt werden: Was ist Lerntherapie? Wo setzt sie an? Gerne helfe ich, diese Infos zusammenzustellen. Susanne Seyfried
Was wünsche ich mir für Luis?
Ich wünsche ihm, dass er einen guten Lerntherapieplatz bekommt. Dass er fachlich gut begleitet wird. Ebenso wie seine Eltern, die Lehrerin. Dass er Verständnis für seine Situation erfährt.
Ich wünsche ihm, dass er seine Stärken und Fähigkeiten erkennt, mutig wird, sich gegen Mobbing zu wehren – und dass er Freunde an seiner Seite hat, die ihn unterstützen. So wie in diesem Buch. Sabine Walker

Fazit: Ein Stark-Mach-Buch: Leseempfehlung für zu Hause und in der Schule
Das Buch macht einfach Mut und gibt soviel Hoffnung für andere Schüler mit LRS. Es kann sowohl zu Hause, in der Lerntherapie als auch zur Sensibilisierung in der Schule sehr gut eingesetzt werden. Susanne Seyfried
Insgesamt ein sehr gelungenes Buch. Nicole Gerbatsch
Mich hat das Buch sofort berührt. Sabine Walker
Hier geht’s zur Bestellung beim isb-Oldenburg Verlag und hier zur Leseprobe.
Auch sehr empfehlenswert ist das Buch Klabautermann an Bord, ebenfalls aus dem isb-Oldenburg Verlag. Hier findest du unsere Rezension vom Lerntherapeuten-Netzwerk.
Diese Rezension ist von Mitgliedern aus dem Lerntherapeuten-Netzwerk geschrieben worden: Kirsten Lang-Feist, Tanja Schifkofsky, Nicole Gerbatsch und Susanne Seyfried. Weitere Netzwerkmitglieder werden hier die nächsten Tage noch ergänzen.

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Ganz lieben Dank für die tollen Rückmeldungen und Anregungen. Es ist immer schön verschiedene Blickwinkel zu haben. Nur so können wir uns verbessern, denn das ist unser Ziel. So viele Hilfestellungen zu geben wie möglich. Und für mehr Verständnis und Empathie zu sorgen. Ich wünsche allen viel Erfolg weiterhin. Liebe Grüße, Heike Becker
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Auch von mir ein herzliches Dankeschön! So viel Lob und weitere gute Verbesserungsmöglichkeiten. Man möchte am liebsten sofort mit einer Luis-Fortsetzungsgeschichte anfangen, so motivierend sind eure Zeilen. Aber jetzt sind wir auch sehr gespannt, was eure Schülerinnen und Schüler dazu sagen. Da würden wir uns sehr freuen, wenn es später vielleicht Erfahrungsberichte gäbe. Herzliche Grüße, Dorothea Thomé
Danke für dein liebes Feedback, liebe Dorothea. Sobald die Sommerferien rum sind, gibt es auch Feedbback von unserem Schülern. Aber das dauert hier in BW noch über 4 Wochen und ich finde Luis ist auch eine perfekte Ferienlektüre für die Familien. Lg Susanne