Wir geben täglich alles für die Kinder, die wir begleiten. Wir stärken, motivieren, schauen genau hin und sind viel mehr als „nur“ Lerntherapeut.
Wenn es jedoch um uns selbst geht, klingen unsere eigenen Worte plötzlich ganz anders – gegenüber Eltern, Lehrkräften oder auch im Gespräch mit uns selbst.
- Ich bin „nur“ LRS-Therapeut
- Ohne das neue Förderprogramm bin ich kein guter Lerntherapeut
- Ich brauch doch erstmal noch eine Fortbildung, sonst kann ich dem Schüler nicht helfen
- Da gibt es ein tolles neues Material, erst, wenn ich mich in das eingearbeitet habe, kann ich als Lerntherapeut starten
Diese Gedanken begegnen mir in meinen Beratungen von Lerntherapeuten regelmäßig – und vielleicht kommt dir das auch bekannt vor.
In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du diese Sätze für dich umformulieren kannst: klarer, mutiger und mit dem gleichen Respekt, den du auch deinen Schülern entgegenbringst.
Hier kommt meine kleine Sammlung an Gedanken-Shifts – zum Mitnehmen, Anpassen und innerlich wachsen lassen.
Ich biete nur LRS-Therapie an
Das höre ich so häufig. Dieses kleine Wörtchen „nur“ fühlt sich so an, als wärst du ein „halber“ Lerntherapeut, weil du dich fokussiert hast.
Natürlich bieten einige Lerntherapeuten beide Bereiche der Förderung an (also LRS und Rechenschwäche). Wenn du aber nur eins anbietest, dann empfehle ich dir folgende Formulierungen gegenüber Eltern oder Schulen:
Ich bin Experte für Lese-Rechtschreibförderung.
Ich bin Experte für die Stärkung der mathematischen Grundlagen / Experte für Dyskalkulie.
Eine Spezialisierung ist kein Mangel, sondern eine Stärke. Du zeigst klar, wofür du stehst – Eltern und Schulen erkennen sofort, welche Unterstützung sie bei dir bekommen.

Ich unterstütze nur Kinder von der 1.-6. Klasse
So steht es oft auf Webseiten: „Bitte beachten Sie: Ich unterstütze nur Schüler von der 1. bis zur 6. Klasse.“ Das klingt einschränkend.
Dabei ist es keine Schwäche, wenn du Schüler ab Klasse 7 nicht begleitest, sondern eine bewusste Entscheidung und ein klarer Fokus.
Probiere doch mal folgende Formulierungen aus:
Mein Angebot richtet sich speziell an Kinder von der 1. bis zur 6. Klasse. oder
Ich begleite Kinder von der 1. bis zur 6. Klasse auf ihrem Lernweg.
Ich brauche noch eine Fortbildung, erst dann….
Auch das höre ich sehr häufig: „Sollte ich nicht lieber noch ein Seminar besuchen, sonst bin ich ja nicht kompetent genug?
Wir alle arbeiten mit vielen Schülern zusammen, die sehr unterschiedliche Stärken und Herausforderungen haben. Und manchmal denkst du vielleicht: „Das hatte ich noch nie, dafür brauche ich eine Fortbildung.“
Dann werden oft Fortbildungen aneinander gereiht, noch eine weitere gebucht und parallel verschiedene Ausbildungen angefangen, weil man immer das Gefühl hat: Mein Wissen reicht noch nicht. Die gute Nachricht. Du bist schon längst Experte und das darf sich auch in deinen Gedanken widerspiegeln.
Vielleicht kennst du dieses Gefühl auch: ‚Ich bin noch nicht gut genug‘ – das nennt man übrigens Imposter-Syndrom. Es beschreibt genau dieses Phänomen, dass wir unsere Kompetenz kleinreden, obwohl wir längst wirken. Noch mehr Tipps zum Imposter-Syndrom findest du übrigens bei Judith Peters in ihrem Blog.
Mach doch gleich einen Gedanken-Shift und nutze folgende Formulierungen für dich selbst:
Ich setze mein Wissen schon heute erfolgreich ein. Jede Fortbildung ist eine Ergänzung – aber meine Kompetenz habe ich schon jetzt.
Ich bin schon längst Experte! Fortbildungen können mich bereichern – aber sie definieren nicht meine Kompetenz.
Dafür benötige ich erst die richtige Technik & das richtige Material
Auch das ist naheliegend, zumindest auf den ersten Blick, denn bevor ich nicht die richtige Technik oder das perfekte Material habe, bin ich nicht perfekt vorbereitet und kann z.B. auch nicht online Schüler fördern, oder doch?
Natürlich ist eine gute Ausstattung hilfreich und auch passende Fördermaterialien und eine gute Auswahl an Spielen. Aber sehr oft erlebe ich, dass viele Lerntherapeuten schon eine Fülle an wirklich guten Materialien haben, die im Schrank herumliegen und auf ihren Einsatz warten. Und dann kommt ein neues Material – und sofort denkst du: „Damit werde ich ein noch besserer Lerntherapeut.“
Dieses Phänomen ist so verbreitet, dass es sogar einen Namen hat: Gear Acquisition Syndrome (GAS) – die ständige Suche nach noch mehr Ausstattung und Materialien. Das Problem: Man sammelt immer weiter, anstatt das, was man schon hat, wirklich konsequent einzusetzen.
Denke daran:
Deine Kompetenz, dein Wissen und deine Haltung sind entscheidend – nicht die perfekte Kamera oder das neueste Tool.
Kinder profitieren von dir als Person, von deiner Haltung, nicht vom 10. Fördermaterial zum Thema Rechtschreibung.
Und wenn dir beim Lesen vielleicht doch noch der ein oder andere „Nur“-Gedanke durch den Kopf geht – dann erinnere dich daran: Du bist längst auf deinem Weg. Du begleitest Kinder mit Herz, Verstand und Haltung. Und das ist alles andere als „nur“.
Bleib bei dir. Zeig, was du kannst. Und sprich über deine Arbeit so klar und wertschätzend, wie du auch über die Stärken deiner Schüler sprichst.
Denn genau das macht dich als Lerntherapeut aus.
Geht es dir auch so?
Kennst du solche Formulierungen auch aus deinem Angebot oder in deiner Kommunikation?
Dann schau mal auf deiner Website, in deinen Flyern oder Insta-Texten nach: Wo schränkst du dich (unbewusst) sprachlich ein – und wo kannst du stattdessen gezielt deine Stärke zeigen.
Kommentiere doch gerne unter diesem Blogbeitrag oder schreib mir.
Vielleicht ist genau jetzt der richtige Moment, dich unterstützen zu lassen – nicht weil du musst, sondern weil du nicht alles allein machen musst.
Lieber gemeinsam, statt Einzelkämpfer?
In unserem Lerntherapeuten-Netzwerk erhältst du Unterstützung, praxisnahe Ideen und gezielte Impulse, damit du deinen Weg nicht allein gehen musst.

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Hallo Susanne,
ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich das Gefühl habe noch nicht genug zu wissen, nicht genug oder das richtige Material zu haben……… Gut, dass du das Thema aufgreifst.
Was mir dann hilft, ist zum einen auf meine „Erfolge“ der letzten Jahre zu schauen. Es ist so unglaublich und berührend zu sehen, was aus den Kindern wird, welchen Lebensweg sie eingeschlagen haben. Einschlagen konnten, weil wir, weil ich, sie ein Stück begleitet haben mit unserem Herz, unserem Wissen und unseren Materialien. Dann weiß ich wieder, was ich kann und dass ich längst schon Expertin auf meinem Gebiet bin.
Und das andere ist, dass ich mir immer mal wieder Zeit nehme, in meinen Spielen und Materialien zu kramen und sie wieder hervornehme und einsetze. Ich habe Material, das habe ich mir ganz zu Anfang angeschafft, das ist einfach immer noch super. Und ich erzähle den Kids davon: „Da war ich beim Studium zur Lerntherapeutin, dies ist eines meiner ersten Materialien….“
Ich habe auch immer wieder Phasen, da nehme ich mir für mich Zeit und schaue mir an, wofür ich dankbar bin. Und dabei komme ich immer wieder an den Punkt, dass ich dankbar bin, Kindern (und auch den Eltern) eine weitere Möglichkeit durch meine Arbeit geben zu können, einen anderen Lebensweg einschlagen zu können. Mehr Wahlmöglichkeiten und mehr Chancen zu bekommen durch meine Begleitung.
Und dann existiert das Wort „nur“ plötzlich nicht mehr.
Danke, dass du das Thema aufgegriffen hast und mich zum Nachdenken und erinnern gebracht hast.
Sabine
Liebe Susanne,
da triffst du bei mir einen Nerv. Bei den Kindern gelingt es mir so gut Ressourcen zu erkennen, bewusst zu machen und zu stärken. Bei mir selbst kann ich diese Kompetenz oft nicht anwenden. Ich bin so dankbar, dass du dies noch einmal so deutlich gemacht hast. Es ist wichtig, dass wir auch bei uns den Blick viel mehr auf die Kompetenzen und Stärken legen (ohne die anderen Anteile zu vernachlässigen).
Ich freue mich, dass ich kleine Impulse geben konnte. Lg Susanne
Pingback:KW37/2025: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society
Liebe Susanne,
danke für diesen inspirierenden Beitrag. Gerade dieses kleine Wort „nur“ begegnet mir häufig – als ob Lerntherapie weniger wert wäre. In der täglichen Arbeit zeigt sich doch, wie viel wir tatsächlich bewegen können.
Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, meine eigenen Fähigkeiten mit einem „nur“ zu beschreiben. Gleichzeitig gelingt es mir bei Klient:innen – ob groß oder klein – mühelos, deren Ressourcen klar zu sehen und zu benennen. Ein spannender Spiegel, der zeigt, wie wichtig es ist, auch mit uns selbst wohlwollender umzugehen.
Viele Grüße
Anja
Liebe Susanne,
danke für diesen wertvollen Blogbeitrag.
Ja- mit den Kindern versuchen wir immer, deren Blick mehr zu schärfen und auf das zu lenken, was sie schon können. Bei sich zu bleiben, sich nicht immer zu vergleichen. Auf die Kinder und Jugendlichen in der Lerntherapie versuchen wir ressourcenorientiert, wertschätzend zu schauen und ihnen bewusst zu machen, was sie schon alles Tolles können.
Bei uns selbst gelingt uns das tatsächlich oft nicht (kann ich aus eigener Erfahrung sagen). Dabei wäre es doch das Einfachste, Authentischste, Wirkungsvollste und Nachhaltigste, wenn wir es den Kids einfach vorleben würden 😉
Liebe Grüße
Anke
Wow, es ist wirklich ein bisschen traurig, wie Menschen, die so tiefgreifend und heilsam mit Kindern arbeiten, sich selbst so unterschätzen. Vielen Dank für diesen Artikel und vor allem auch für die praktischen Fomulierungsinspirationen. Es ist neben der Wertschätzung anderen gegenüber genauso wichtig, dass wir uns selbst wertschätzen.